Im Portrait – Gewöhnlicher Blutweiderich, Lythrum salicaria
Der Blutweiderich hat sich unter den 25 Arten unseres Balkonprojekts „Naturschutz auf dem Balkon?“ diesen Sommer zum heimlichen Star entwickelt. Es kamen immer wieder begeisterte Rückmeldungen – über seine Blühfreudigkeit, die zahlreichen Insektenbesuche oder seine robuste Gesundheit, ob im Blumentopf oder ausgepflanzt im Beet. Zum Glück hatten wir den Blutweiderich im Rahmen eines Vermehrungs-Workshops diesen März ausgesät, weshalb wir viele Pflanzen heranziehen konnten, die sogar schon diesen Sommer zur Blüte kamen. Keine andere Art wurde im Lauf des Jahres so häufig weitergebeben wie der Blutweiderich – auch an pflanzeninteressierte Leute, die ursprünglich gar nicht am Balkonprojekt teilgenommen hatten.
Das schmälert keineswegs die Freude an anderen Projektpflanzen, ist aber ein schöner Anlass, sich intensiver mit dem Blutweiderich zu beschäftigen.
Heilpflanze mit Geschichte
Zuerst zum Namen: das „Blut“ bezieht sich weniger auf die Blütenfarbe, sondern ist vermutlich ein Hinweis auf die Verwendung. Aufgrund der stark adstringierenden und bakteriziden Gerbstoffe wurde Blutweiderich in der Volksmedizin zur Blutstillung eingesetzt. Er wurde bereits in der Antike als Heilpflanze genutzt und spielt auch für die Ernährung eine Rolle. Angeblich wirkt der Genuss junger Sprossen und Blätter gegen Diabetes (Typ 2). Mit dem Farbstoff färbte man früher Zucker.
Als Zierpflanze ist der Blutweiderich seit dem 16. Jh. in Kultur, es gibt viele Sorten. 2024 war er Staude des Jahres. Wir verwenden die Wildform, sogar aus autochthoner Herkunft.
Balkonprofi mit Sumpfgenen
Dass sich der Blutweiderich so gut fürs Balkongärtnern eignet, liegt an seiner Anpassung an besondere Lebensräume. Als Wasser- oder besser gesagt als Uferpflanze verträgt er nämlich Staunässe. Wer im Sommer ein paar Tage wegfährt, setzt den Blutweiderich einfach ordentlich unter Wasser, er überlebt die Zeit problemlos ohne Gießdienst. Bei den meisten Pflanzen verfaulen die Wurzeln, wenn sie staunass stehen. Der Blutweiderich ist helomorph, d.h. die Stängel, die unter Wasser stehen, entwickeln ein Durchlüftungsgewebe (Aerenchym), das die Wurzeln mit Sauerstoff versorgt. Er gedeiht sogar in einem Teich, wo er dauerhaft unter Wasser steht. Genauso gut wächst er aber ohne Staunässe, muss dann eben regelmäßig gegossen werden.
Der Blutweiderich wächst inzwischen auf vielen Balkonen in der Nachbarschaft, dabei zeigt sich, dass er auch an überraschend schattigen Standorten blüht – und zwar über lange Zeit – , wo andere Arten farblos vor sich hin vegetieren. Licht ist oft ein limitierender Faktor für die Blütenentwicklung, beim Blutweiderich ist es eher das Wasser. Pilzerkankungen oder Befall von „Fress-Tierchen“ sind uns bislang nicht aufgefallen.
Magnet für Wildbienen & Co.
Zur Info für die Insektenfreunde unter uns: Als Nektarspender ist Blutweiderich von besonderem Wert, laut naturadb.de versorgt er 12 Wildbienenarten, außerdem Schwebfliegen, 21 Schmetterlingsarten bedienen sich am Nektar oder nutzen die Blätter als Raupenfutter, darunter die Raupen aus der Gattung der Nachtpfauenaugen.
Sichtbar schön, ökologisch wirksam
Bei unserem Balkonprojekt beschäftigten wir uns hauptsächlich mit heimischen Wildpflanzen, die selten oder sogar bedroht sind. Das war unsere Motivation – selten gewordenen Arten ein Platz zu geben und sie dabei kennenzulernen. Der Blutweiderich gehört nicht zu den seltenen Arten, was vermutlich auch an seiner Anpassungsfähigkeit liegt. Laut einer aktuellen Studie wird aber gerade der Verlust häufig Vorkommender Arten und von Arten aus Feuchtgebieten als besonders kritisch bewertet. Das liegt daran, dass solche Arten Lebensräume verknüpfen und damit für ökologische Stabilität sorgen. Sie wirken als Knotenpunkte innerhalb von Nahrungsnetzen. Diese Erkenntnisse sollen an anderer Stelle vertieft werden.
Fürs Balkongärtnern darf man sich auch von gestalterischen Kriterien leiten lassen – und da hat der Blutweiderich einiges zu bieten. Wie schön muss er wirken, wenn er in einem künstlich angelegten Sumpfbeet wächst, das eine üppige Ufervegetation zum Vorbild nimmt – also in Kombination mit Wasserdost, Mädesüß, Kuckuckslichtnelke, Teufelsabbiss und Sumpfdotterblume. Der Rand der Wanne wird vom hängenden gelbblühenden Pfennigkraut überwuchert.
Text: Konrad Bucher; Bild: Bettina Lindenberg