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10. Oktober 2024

Vortrag Flora non grata am 5.10.2024 im ÖBZ

Alle zwei Jahre bringt die Gartengruppe vom Ökologischen Bildungszentrum einen Kalender heraus, der unterschiedliche Gartenthemen behandelt. Beispielsweise geht es um essbare Wildpflanzen, Gemüseraritäten oder Heilpflanzen, ein andermal um Tiere im Garten oder speziell um die Bohne. Das vergangene Jahr über befasste sich das zehnköpfige Kalenderteam mit der „Flora non grata“, also mit Pflanzen, die die Gärtnerinnen und Gärtner aus irgendwelchen Gründen nicht wirklich schätzen. Kurz gesagt: es ist ein Kalender über „Unkraut“ geworden.
Wie immer sammeln sich bei der Recherche viele interessante Geschichten und auch Bilder an, die man im Kalender gar nicht alle zeigen kann. Überraschend, dass es von Pflanzen, die ansonsten nur auf dem Kompost landen, irgendwann ziemlich viele Bilder gibt, die man sogar schön findet. So entstand die Idee, begleitend zum Erscheinen des Kalenders einen Bilder-Abend zu veranstalten und die Pflanzenbetrachtung als Einstieg dafür zu nutzen, über das Für und Wider von „Unkraut“ im Garten zu reflektieren.

Immerhin folgten acht Personen, die selbst nicht an der Entstehung der Kalender-Texte beteiligt waren, der Einladung zum Unkrautabend. Kann man einen ganzen Abend lang über Unkraut reden? Langweilig wird das Thema schon deshalb nicht, weil man sich bereits über den Begriff „Unkraut“ streiten kann. Und jede einzelne Art lässt sich aus unterschiedlicher Perspektive betrachten. Die Zaunwinde zum Beispiel: Man kann sich ärgern über ihre unbändige Dominanz, mit der sie schonungslos alles überwuchert, man wünscht sich Ratschläge, wie man sie am besten loswird und kann schließlich doch nicht anders, als ihre Vitalität zu bewundern, mit der sie selbst die unwirtlichsten Räume begrünt – und dabei eine gute Figur abgibt, wenn man sie nur lässt. Ähnlich ist es bei dem Jakobskreuzkraut: Landwirte bezeichnen es als „gelbe Gefahr“, weil es Weidetiere vergiften und sogar töten kann. Deshalb muss das Heu von Wiesen, in denen diese Pflanze wächst, vernichtet werden. Naturschützer wehren sich dagegen, dass das Kreuzkraut radikal bekämpft wird; schließlich bietet es als heimische Wildpflanze über 72 Wildbienenarten Nahrung, außerdem 29 Schwebfliegen und über 30 Schmetterlingen! z.B. ist der Jakobskraut-Bär, ein hübscher schwarzroter Falter, bzw. dessen Raupe auf diese Pflanze spezialisiert. So geht es einem mit jeder einzelnen Art aus diesem Kalender: Beim genaueren Hinsehen zeigt sich bei allen irgendwann eine bewundernswerte, sympathische auf jeden Fall überraschend Seite. Obwohl man dachte, man würde sie kennen. Wie wenig wir diese „Allerweltsarten“ im Grunde wirklich kennen, stellte sich bei der Recherche heraus: Es war gar nicht so einfach herauszufinden, um welche Distel oder um welchen Ehrenpreis es sich denn genau handelt. Ist es nun die Rauhe Gänsedistel, die Kohl-Gänsedistel oder vielleicht die Acker-Gänsedistel?  Mit der Vielzahl der Ehrenpreis-Arten lässt sich fast das ganze Alphabet durchdeklinieren. Beim Weidenröschen waren sich die Bestimmungs-Apps leider uneinig, im Netz stolperte man öfters über falsche Angaben. Kennen wir diese Arten nicht, weil wir sie nicht mögen? Oder schätzen wir sie nicht, weil wir sie zu wenig kennen?

Bei den seltenen, geschützten Pflanzen sieht es ganz anders aus. Wir wissen viel über sie und tun einiges, um sie zu erhalten; zwar immer noch nicht genug, immerhin genießen diese Arten im Unterschied zu den „Unkräutern“ eine gewisse Lobby.
Wenn es aber um den Erhalt der biologischen Vielfalt insgesamt geht, müssen wir den Horizont des Erhaltenswerten viel weiter fassen. Auch die ungeschätzten Unkräuter haben innerhalb der Komplexität der Ökosysteme ihre Bedeutung und brauchen Akzeptanz. Vor allem auch die Lebensräume, in denen sich die Flora non grata entfaltet, die vernachlässigten, wilden Ecken, in ihrer Bedeutung für Insekten unterschätzt. Eigentlich fällt es gar nicht so schwer, sie zuzulassen oder sogar schön zu finden.

Der Kalender ist im Ökologischen Bildungszentrum München (Englschalkinger Straße 166) für 5 € erhältlich. Als kostenloses PDF kann er auch hier abgerufen werden: https://www.oebz.de/data/download/Kalender/Kalender__2025_Floranongrata_210x297_lores.pdf

Hier sind die Kalender der vorherigen Jahre: https://www.oebz.de/service/kalender


Foto: © Martin Lell

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