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1. Oktober 2024

Gemeinsame Planung einer Blühfläche mit heimischen Arten

Blühflächen lassen sich auf unterschiedliche Arten anlegen. Die gängigste Methode ist die Ansaat. Es gibt vielfältigste Saatgut-Mischungen für alle möglichen Standorte, auch solche mit heimischen Arten, denen man unter dem ökologischen Aspekt den Vorrang geben sollte, weil sie wichtig sind als Nahrungsquelle für Insekten.
Mit einer Saatgutmischung stellt man eine Blühwiese her, die ca. zweimal im Jahr gemäht werden muss. Solche Wiesen benötigen eine gewisse Mindestgröße, wenn sie artenreich sein sollen. Gerade in der Stadt gibt es im öffentlichen Raum und besonders in privaten Gärten aber oft kleinteilige Flächen, für die sich die Ansaat einer Wiese nicht lohnt. Solche Flächen eignen sich besser für die Anlage eines Staudenbeets, das ebenfalls mit heimischen, insektenfreundlichen Arten gestaltet werden kann. Stauden sind mehrjährigen Blumen, d.h., sie erhalten die gewünschte Optik des Beets über einen langen Zeitraum.

Begeistern, beteiligen, bilden

Im Rahmen des BioDivHubs am Ökologischen Bildungszentrum planen wir gerade ein Schaubeet aus heimischen Staudenarten als Anregung für die Nachahmung im Privatgarten. Dazu hatten wir am 19.09. ein BioDivHubs-Treffen am ÖBZ.
Die Planung verläuft von Anfang an als gemeinsamer Prozess, das ist der besondere Ansatz der BioDivHubs. Denn bei der gemeinsamen Entwicklung des Konzepts lernen alle Beteiligten mehr als bei der Umsetzung eines bereits fertigen Plans. Austausch und Kreativität sind außerdem die beste Motivation, um ins Tun zu kommen. Schließlich erfordern die Umsetzung und anschließende Pflege einiges an Arbeit.

Mitten im Diskurs zum Thema Arterhaltung

Unser Einstieg in die Planung geschah mit dem Kennenlernen des Conservation Gardening-Konzepts. Dieser Ansatz – entwickelt von der Uni Leipzig und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung – beruht auf der Erkenntnis, dass heimische Arten, die an ihren natürlichen Standorten gefährdet sind, auch im Siedlungsraum, auf öffentlichen und privaten Flächen gepflanzt werden können. Ist es also möglich, Arten aus der Roten Liste, die im Rückgang begriffen sind, durch Wiederansiedlung vor dem Aussterben zu bewahren? Für uns Natur-Begeisterte ist das eine sehr motivierende Idee.
Andere Wissenschaftler*innen sehen diesen Ansatz allerdings kritisch, weil er nicht berücksichtigt, dass besonders geschützte Arten gar nicht erhältlich sind und die Ausbringung dieser Arten an neuen Standorten Florenverfälschung verursachen kann.
Man muss nämlich wissen: Die genetische Ausstattung ein und derselben Art ist je nach Ursprungsgebiet unterschiedlich. Kaufe ich z. B. eine Glockenblume aus norddeutscher Produktion, hat sie eine andere Genetik als die Glockenblume, die in Oberbayern wächst. Wird die norddeutsche Blume in Bayern angepflanzt, vermischen sich die beiden, d.h., die hier heimische Glockenblume wird durch ihre Verwandte aus entfernten Gebieten genetisch verändert, „verfälscht“. Aus Laienperspektive ist das ein völlig ungewohnter Gedankengang, aus Sicht des Artenschutzes aber eine sehr bedeutsame Tatsache. Denn es geht darum, den einmaligen Genpool einer seltenen Art so zu erhalten, wie er sich über lange Zeit an spezielle Bedingungen angepasst hat. Die südliche Glockenblume ist womöglich besser an Trockenheit angepasst als die nordische Variante; für ihren langfristigen Fortbestand ist diese Eigenschaft überlebenswichtig. Im Rahmen von Artenhilfsprogrammen werden seltene Arten nur in direkter Nähe zum Herkunftsort wieder angesiedelt. So kann man dazu beitragen, eine kleine Restpopulation einer Art in der für sie passenden Umgebung zu vergrößern. Und man verhindert eine Vermischung und Nivellierung genetischer Besonderheiten. Verwendet man für die Wiederansiedelung Pflanzen, die aus derselben Gegend stammen, nennt man diese Pflanzen autochthone Arten.

Gemeinsamer Lernprozess

So lernen wir in unserem Planungsprozess durch Einbeziehung vieler Experti:nnen Begrifflichkeiten und Aspekte kennen, die für den Erhalt der Biodiversität wichtig sind. Wissenschaftler:innen der TUM, vom Botanischen Garten, Fachleute aus Naturschutzverbänden wie BN oder Heideflächenverein und das RKU der LH München geben Impulse und beraten uns bei der Pflanzenauswahl.
Am Ende setzen wir kein Schaubeet für Conservation Gardening um, haben durch unseren begeisterten Einstieg über das Conservation Gardening-Konzept und das Begreifen der problematischen Aspekte darin aber den komplexen Artenschutz-Diskurs kennengelernt und viel Neues verstanden.
z. B. werden wir anstelle der sehr seltenen Finger-Kuhschelle die gewöhnliche Kuhschelle verwenden. Anstelle der traubigen Graslilie macht für uns die im Münchner Umland noch vorkommende Ästige Graslilie mehr Sinn. Die kleine Bibernelle ersetzt den Bergkümmel, das echte Labkraut das blaugrüne Labkraut. Usw. Einzelne Arten aus dem Conservation Gardening -Liste, die nicht streng geschützt sind und im Münchner Umland vorkommen, finden wie z.B. das Kleine Mädesüß aber auch Platz auf unserem Beet.

Das A und O für eine gelingende Planung ist die Berücksichtigung des jeweiligen Standorts. Wenn die Arten nicht an gegebene Licht- und Bodenverhältnisse angepasst sind, funktioniert die Pflanzung nicht dauerhaft. Deshalb werden alle Arten abgesehen von ihrer Eignung aus Artenschutz-Perspektive auf ihre Standortansprüche hin geprüft und kategorisiert. Nach und nach klärt sich die Pflanzenauswahl. Mit ca. 30 Arten erstellten wir in Kleingruppen unterschiedliche Entwürfe für das knapp 30 qm große Beet. Wobei die Stauden je nach ihren gestalterischen Funktionen in 4 Gruppen aufgeteilt werden: in Leitstauden, Begleit- und Füllstauden und Streupflanzen. Gefühl für Farbe und Struktur sind die kreativen Zutaten bei der Planung, über die es sich zu einigen gilt.
Die fertigen Entwürfe werden von unseren Expert:innen abschließend geprüft, bevor es im Frühjahr an die Umsetzung geht.

Wer mehr darüber erfahren will melde sich unter: muz@oebz.de


Foto: © Marc Haug

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