Bei dem Begriff „Rewilding“ denkt man als erstes an die Wiederansiedelung großer Wildtiere wie Wölfe und Bisons. Zur Fülle der wildlebenden Tiere gehören aber auch unscheinbare Arten wie Insekten. Insekten sind die größte Tiergruppe der Welt, sie sind unersetzlich für das Funktionieren von Ökosystemen. Aber ihre Bestände gehen massiv zurück. Um auf das stille Sterben der Insekten aufmerksam zu machen, nutzen wir für unsere Pflanzaktionen den lauten Begriff „Rewilding“ – schließlich geht es beim Rewilding-Konzept genau darum: „mit Hilfe natürlicher Prozesse die Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme zu verbessern.“ Wir werden unsere Pflanzflächen in der Stadt allerdings nicht sich selbst überlassen, sondern wollen die „Wildnis“ gestalten – also Wildpflanzen ansiedeln, die hier von Natur aus vorkommen würden und den Insekten Nahrung und Lebensraum bieten. Studien belegen, dass Insekten auch in der Stadt leben können. Weil sie hier nicht mit Insektengiften bekämpft werden, geht es ihnen in Städten teilweise besser als auf dem Land. Es ist also sinnvoll, auch kleinräumig Insekten zu fördern, indem man die Wildpflanzen ansiedelt, auf die sie spezialisiert sind. Dieses eine Beet bleibt nicht die einzige Blühfläche. Im Rahmen des Projekts „BioDibHubs“ legen wir an unterschiedlichen Stellen im Viertel – und nicht nur in diesem Viertel, sondern in 3 weiteren Stadtteilen im München – weitere solcher „Lebensinseln“ als Trittsteinbiotope an. Die Quartiere mit einer standortgerechten Pflanzenwahl vielfältig und lebendig zu gestalten, bringt auch uns menschlichen Stadtbewohern:innen mehr Aufenthaltsqualität. Außerdem macht ein gemeinsamer Planungs- und Umsetzungsprozess Freude.
Die nächste Umsetzung einer vergleichbaren Blühfläche im Rahmen des BioDibHubs findet am 11. Mai 2025 am Ökologischen Bildungszentrum statt. Mehr dazu.
Das erste Treffen für die Planung des Beets am Ackermannbogen findet am 20. Mai, 2025 um 19h statt, Treffpunkt am Rigoletto, Rosa-Aschenbrenner-Bogen 9. Zur Anmeldung.
Wir alle wollen etwas für die Biodiversität in unseren Gärten und Quartieren tun, Beete und Balkone mit einheimischen Wildstauden bepflanzen – über 60 Balkongärtner*innen üben sich am Ackermannbogen schon seit einem Jahr in der Pflege der „schönen Wilden“.
Und ist man erst in eine Pflanze verliebt, und hat man beobachtet, wieviele Insekten sie anzieht, will man sich unbedingt mit ihr umgeben – auf dem Balkon, im Gemeinschaftsgarten, überall im Viertel… Nur – oft gibt es die Pflanze gar nicht mehr zu kaufen oder nicht genau diese eine Varietät, die man am liebsten mag und wenn doch, dann oft nicht in Bioqualität…
Bilder Balkonpflanzen mit Insekten
Der gegenwärtige Wildpflanzen-Boom übersteigt oft die Kapazitäten der wenigen spezialisierten Gärtnereien. Außerdem hat das Vermehren von Pflanzen, die sich an ganz besondere Standorte, wie z.B. einem Balkon angepasst haben viele Vorteile: Wir erhalten eine gewisse Auslese, die zum Beispiel mit engen Töpfen, Trockenheit und Hitzestress gut zurecht kommen.
Deswegen haben die Verbundpartner vom BioDivHubs-Projekt – Konrad Bucher vom MUZ und Stadtackerkoordinator – Monika Egerer, Inhaberin des Lehrstuhls Produktive Urbane Ökosysteme an der TUM und ihr Mitarbeiter David Schoo – beschlossen, in die Samengärtnerei einzusteigen, um das benötigte Saatgut und die gewünschten Jungpflanzen selbst zu produzieren. In einem Gewächshaus des Gemeinschaftsgartens Mingas Permadis von David Schoo dürfen die Pflänzchen heranwachsen, bis sie auf den Projektflächen benötigt werden. Damit möglichst viele Gärtner*innen lernen, wie man die wertvollen Wildpflanzen selbst vermehrt, fand am Ackermannbogen ein Workshop statt, zu dem Barbara Prosiegel vom „Stauden Spatz“ als Expertin eingeladen war. Seit 2016 ist die auf heimische Wildstauden spezialisierte Biogärtnerei ein zertifizierter Fachbetrieb für naturnahes Grün und der Wildstaudenproduktion.
An 3 verschiedenen Stationen konnten wir das Aussäen, Pikieren und Teilen üben, und bekamen viele, wertvolle Tipps, damit die Vermehrung und Pflege der schönen Wilden auch gut gelingt.
Station 1: Ansaat
Gleich zu Anfang wurde mir an dieser Station klar, wie viel ich immer falsch gemacht habe: Bevor wir die magere Anzuchterde in die Schalen geben, werden diese gut gesäubert und desinfiziert – die Erde wird sehr eben und gleichmäßig verteilt und dann mit einem extra Brettchen fest angedrückt. Die Etiketten mit den Infos zum Saatgut werden sorgfältig angebracht – erst dann kann – nicht zu dicht – gesät werden. Die Saat wird dann mit etwas Erde und entweder feinen Blähton oder Lavagranulat abgestreut, nochmal angedrückt und angegossen. Auf diese Weise ist für alle Samen ein guter Bodenschluss garantiert.
Station 2: Pikieren
Das Pikieren ist ein Geduldsspiel, die langen Würzelchen darf man einkürzen, damit sie in die Töpfe passen.
Station 3: Stauden Teilen
Viele Wildstauden dürfen mehrfach geteilt werden: Dabei kann man die Wurzeln stark einkürzen.
Saatgut lagern
Saatgut soll man kühl und trocken lagern, am besten zwischen 2 und 10 Grad Celsius. Beim Säubern und Öffnen von Schoten auch auf Tierchen achten und diese rauskrabbeln lassen. Die beste Verpackung sind Papiertütchen – das Milieu muss wirklich ganz trocken sein. Plastik eignet sich gar nicht.
Ganz wichtig: Saatguttütchen sehr gut beschriften! Nein – man merkt sich meistens doch nicht welcher Same zu welcher Pflanze an welchen Standort gehört. Auch das Sammeljahr nicht vergessen – Saatgut verliert mit den Jahren an Keimfähigkeit.
Saatgut sammeln
Idealer Zeitpunkt zum Ernten und Sammeln von Samen ist ein trockener sonniger Vormittag, nicht zu früh, so dass kein Tau mehr die Pflanzen benetzt.
Um sicherzugehen, dass man das ideale Reifestadium erwischt, kann man dieselbe Pflanze zu verschiedenen Zeitpunkten beernten. Man sollte immer nur soviel nehmen, wie man wirklich braucht und unreifen Samen die Möglichkeit zum Nachreifen lassen.
Samen mit Fruchtfleisch sollte man vorsichtig freilegen und die Reste entfernen.
Sehr dickes Saatgut keimt besser, wenn man etwas anschmiergelt.
Da beim Projekt viel Wert auf autochthones Saatgut gelegt wird, ist neben dem Sortennamen und dem Sammelzeitpunkt auch der genaue Standortvermerk wichtig.
Unbedingt muss man die Regeln fürs Wildsammeln beachten: In Deutschland sind grundsätzlich alle wild lebenden Pflanzen geschützt. Im Bundesnaturschutzgesetz steht dazu: Wildpflanzen dürfen nicht ohne vernünftigen Grund ihrem Standort entnommen werden. Weiterhin steht dort aber auch: „Jeder darf wild lebende Blumen, Gräser, Farne, Moose, Flechten, Früchte, Pilze, Tee- und Heilkräuter sowie Zweige wild lebender Pflanzen aus der Natur an Stellen, die keinem Betretungsverbot unterliegen, in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf pfleglich entnehmen und sich aneignen.“
Durch eine Abfrage in der WISIA-Artenschutzdatenbank des Bundesamts für Naturschutz (BfN) kann man die besonders und streng geschützte Arten, die nicht gesammelt werden dürfen, herausfinden.
Frühlingsblüher für die Biodiversität – unter diesem Motto pflanzten Schülerinnen und Schülern aus den 4. Klassen der inklusiven Montessorischule Großhadern heimische Primula-Arten am Ökologischen Bildungszentrum München und lernten dabei, welche Standorte für diese Pflanzen geeignet sind und welchen Beitrag sie für die biologische Vielfalt leisten.
Im Vorfeld wurde bei der Staudengärtnerei Spatz jeweils 60 Exemplare von zwei Primelarten bestellt, der Echten Schlüsselblume (Primula veris) und der Hohen Schlüsselblume (Primula elatior). Beide Arten haben unterschiedliche Ansprüche. Im Unterschied zur blassgelben Hohen Schlüsselblume, die schattige Standorte mag, bevorzugt die Echte Schlüsselblume mit den kräftig-gelben Blüten eher sonnige Stellen in Halbtrockenrasen und Wiesen. So wurden auf dem ÖBZ-Gelände zunächst passende Standorte ausgewählt, auf den hausnahen Wiesen und deren schattigen Randbereichen. So fanden sich im Schatten der Haselnuss-Gehölze, sowie auf dem Wiesenstück entlang einer eher sonnen beschienenen Hangkante geeignete Plätze.
Bei der Pflanzaktion am 19. und 26. März 2025 waren insgesamt sechzig Kinder unter Anleitung von Elisabeth Öschay und Renate Luz vom ÖBZ eifrig dabei. Teamarbeit war angesagt. Während die einen die Pflanzen und das Substrat vorbereiteten, haben andere mit dem Spaten die Pflanzlöcher ausgehoben. Alleine das Graben war für die Kinder schon ein tolles Erlebnis, wenn sie Regenwürmer entdeckten oder sie auf eine Wurzel, die sich unter dem Gras ausgebreitet hatte, stießen. Am Ende waren alle stolz, was sie gemeinsam geschafft haben: Eine hübsche Primelwiese, von der sie wissen, dass sie nicht nur attraktiv aussieht, sondern auch ein Beitrag für mehr biologische Vielfalt am ÖBZ ist. Denn – und auch das hat die Kinder beeindruckt – die beiden heimischen Primelarten bieten Nahrung für mehreren Wildbienenarten, für Schwebfliegen und für mehr als 20 Raupenarten.