Skip to main content

Monat: Oktober 2024

Pflanzen für einen bunten Frühling

Tolle Aktion im Ökologischen Bildungszentrum am 19. Oktober 2024

Viele Kinder aller Altersstufen versammelten sich zusammen mit ihren Eltern an diesem herbstlich-sonnigen Samstag am Platz vor dem Geräteschuppen des ÖBZ-Geländes. Auf zwei Biertischen waren gelbe Netze mit Unmengen von kleinen Zwiebelchen und anderen Samen ausgelegt und auch viele interessante Informationen zu den bunten Frühblühern, die im nächsten Frühjahr Tiere und Menschen erfreuen sollen.

Konrad Bucher, der die Pflanzaktion koordinierte, erklärt den Kindern, den Familien und den anderen Freiwilligen, warum sie heute mithelfen sollen: es ist nämlich geplant, 1000 bunte Frühlingsblumen von 7 verschiedenen heimischen Arten auf das Gelände des Ökologischen Bildungszentrums zu pflanzen, Frühlings-Krokusse, Schneeglöckchen, gelbe Windröschen, Buschwindröschen, Märzenbecher, Lerchensporn und zweiblättrigen Blaustern. Das bedeutet ganz schön viel Arbeit – Erdlöcher ausheben, Zwiebeln mit der Triebspitze nach oben in eine bestimmte Tiefe setzen – nährstoffreiche Komposterde ins Pflanzloch geben und das Loch wieder locker mit der ausgehobenen Erde ausfüllen. Einige Kinder wissen ganz genau, warum die frühblühenden Zwiebelpflanzen nicht nur bunt und schön fürs Auge, sondern wichtig für die Insektenwelt sind: Sie brauchen diesen ersten Pollen und Nektar im Frühjahr ganz dringend als Nahrung. Vor allem die Wildbienen sind auf spezielle einheimische Blütenpflanzen angewiesen, denn sie sind „Feinschmecker“. Anders als die Honigbienen, die viele verschiedene Blüten als Nahrungsquelle nutzen können – sind die meisten Wildbienenarten, aber auch viele Schmetterlinge, sogenannte Spezialisten: Sie brauchen eine ganz bestimmte Pflanzenart, um überleben zu können. Wenn solche Pflanzenarten verschwinden, verschwinden mit ihnen die Wildbienen und Falter.

Konrad Bucher lässt die Kinder raten, wie viele Wildbienenarten es in Deutschland gibt: Die Hände fliegen hoch – von 30 bis 1000 Arten reichen die Vorschläge – es sind tatsächlich 560 verschiedene Wildbienenarten, die in Deutschland auf die einheimischen Pflanzen als Nahrungsquelle angewiesen sind. Jetzt muss noch die Frage geklärt werden, warum denn viele dieser früh blühenden Arten eine Zwiebel haben und auch im Auwald, an Waldrändern – am Rande von Hecken – also im Schatten so herrlich bunt blühen.

Überlebensstrategie „früher blühen“

Bäume und Hecken beschatten im Sommer den Waldboden so stark, dass beispielsweise das Buschwindröschen keine Chance mehr hätte, ausreichend Licht für die Photosynthese zu bekommen. Im Laufe der Evolution haben sich die Pflanzen des Waldbodens aber eine ökologische Nische gesucht, in der sie überleben können. Sie nutzen das Sonnenlicht, das im zeitigen Frühjahr bis auf den Waldboden fällt, weil die Laubbäume noch kahl sind und viel Licht durchlassen. Mit Nahrung sind die Frühblüher bestens versorgt, denn was sie zum Austreiben und Blühen brauchen ist in ihren unterirdischen Speicherorganen, den Zwiebeln, Rhizomen oder Knollen eingelagert. Nach der kurzen Blüte haben die Pflanzen wieder genügend Speicherstoffe für das nächste Jahr gesammelt und in den Zwiebeln gespeichert. Sie ziehen danach meist vollständig ein und warten im Waldboden auf ihren Auftritt im nächsten Frühjahr. Andere Frühblüher-Arten blühen an so einem frühen Zeitpunkt im Jahr, da sie an sommertrockenen Standorten wachsen. Im Sommer wäre nicht genügend Wasser für die ressourcenzehrende Blüte vorhanden, im zeitigen Frühjahr können sie noch aus dem Vollen schöpfen. Um Nachtfrost und Kälteeinbrüche zu überstehen, haben bestimmte frühblühende Arten „Frostschutzmittel“ entwickelt. Schneeglöckchen lagern zum Beispiel Salze ein, die verhindern, dass das Wasser in ihren Knollen, Blättern oder Trieben gefriert.

Jetzt stellen die Umweltpädagog*innen die Arten vor, die sie pflanzen wollen und teilen alle Kinder und ihre Begleitungen in Pflanzgruppen ein. Wieder fliegen viele Arme hoch: „Ja ich, ja ich“ – alle wollen erstmal in die Gruppe „Frühlings-Krokus“. Doch auch Schneeglöckchen, gelbe Windröschen, Buschwindröschen, Märzenbecher, Lerchensporn und der Blaustern finden ihre Anhänger. Mit Zwiebeln, Lageplänen, Spaten und Grabegabeln ausgerüstet, verteilen sich die Gruppen auf dem weiten ÖBZ-Gelände und pflanzen einen bunten Frühling für das nächste Jahr.

Die Diva: Märzenbecher (Leucojum vernum)

Foto: © Marc Haug

Die Gruppe Märzenbecher geht mit Konrad auf eine Wiese hinter dem ÖBZ-Gebäude. Der Märzenbecher ist eine richtige Diva, sprich eine schwierige Pflanze, die nicht so leicht anwächst. Die Zwiebeln trocknen leicht aus, und sterben ohne Erde. Deswegen wurden sie nach der Lieferung in kleinen Töpfen mit Erde versorgt und sind schon ausgetrieben. Wegen der zarten Würzelchen muss man sehr vorsichtig mit ihnen umgehen. 6 Zwiebeln setzen wir ca. 10 cm tief in ein großes Spatenloch, das mit etwas Kompost angereichert wurde. Wir setzen die Märzenbecher an 2 ganz unterschiedliche Stellen – auf der Wiese und mitten im Gehölz. Eigentlich brauchen sie ja schattige Standorte. Es soll aber untersucht werden, wo sie sich besser entwickeln. Leider wird das erst im übernächsten Jahr klar werden, denn die Diva lässt sich viel Zeit mit ihrer Entwicklung und blüht erst im zweiten Jahr.

Das Buschwindröschen (Anemone nemorosa)

Foto: © Martin Lell

Das zarte Buschwindröschen setzt man nur 3 – 5 cm tief in möglichst feuchten und nährstoffreichen Boden mit lockerer Laubmulchschicht, bevorzugt am Rande von Buchengruppen. Es blüht von März bis April; vom Vorfrühling bis zum Frühsommer mit grünen Blättern, dann werden die Blätter eingezogen.
Es ist einheimisch, ungefährdet und nicht besonders geschützt. Das Buschwindröschen ist nicht nur Nahrungspflanze für 18 Wildbienenarten, sondern auch für 4 Schmetterlingsarten, 8 Schwebfliegenarten und eine Käferart.

Das Gelbe Windröschen (Anemone ranunculoides)

Foto: © Ruth Mahla

Das gelbe Windröschen ist wie das weiße Buschwindröschen einheimisch, ungefährdet, und nicht besonders geschützt und kommt vor allem in Bruch- und Auenwäldern sowie in feuchten Laubwäldern, also vorwiegend außerhalb menschlicher Siedlungen vor.
Es ist für kurzrüsselige Wildbienen, Schwebfliegen, Käfer, Fliegen eine wichtige Nahrungspflanze und blüht etwas später als das weiße Buschwindröschen.

Der Frühlings-Krokus (Crocus vernus)

Foto: © Konrad Bucher

Diese beliebte und bekannte Art wächst auf durchlässigen, nährstoffreichen Boden, gerne auch auf sonnigen Wiesen und im menschlichen Siedlungsbereich. Blütezeit ist von Februar bis März. Frühe Nahrung für 4 Wildbienenarten, z.B. die gehörnte Mauerbiene.Die Art ist ungefährdet, aber durch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG:) besonders geschützt.

Zweiblättriger Blaustern (Scilla bifolia)

Foto: © Martin Lell

Der hübsche Blaustern wächst sowohl an sonnigen, wie auch an halbschattigen Stellen auf feuchten Wiesen und Weiden, Bruch- und Auenwäldern, Laub- und Tannenwäldern,
Schwebfliegen, Bienen, Falter bestäuben ihn, er ist wichtige Nahrungspflanze für die gehörnte Mauerbiene und die gewöhnliche Schmalbiene.
Die einheimische Pflanze blüht im März und April, ist ungefährdet, aber durch das BNatSchG: besonders geschützt.
In Parks ist leider meist der angepflanzte Sibirische Blaustern zu finden.

Das Schneeglöckchen (Galanthus nivalis)

Foto: © Ruth Mahla

Schneeglöckchen blühen von Februar bis März und kommen in Bruch- und Auenwäldern, auf nährstoffreichen, feuchten Böden, oft im Wald, aber auch in Gärten vor. Es ist ebenfalls wichtige Nahrungspflanze für die gehörnte Mauerbiene und die gewöhnliche Schmalbiene. Der grüne Fleck auf den Blütenblättern dient als Orientierungssignal für Insekten, das diese zu Nektar und Pollen führt. Die einheimische Art ist auf der Vorwarnliste und durch das Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützt. Das Schneeglöckchen hat wie einige andere Blühpflanzen eine trickreiche Technik der Verbreitung: Die Samen enthalten ein nährstoffreiches Anhängsel, das Ameisen anlockt, die dann beim Abtransport für die Ausbreitung der Schneeglöckchen sorgen.

Gefingerter Lerchensporn (Corydalis solida)

Foto: © Katharina Schröll

Der Lerchensporn blüht von März bis April in Laub- und Auenwäldern, aber auch auf Obstwiesen und in Weinbergen, vorwiegend außerhalb menschlicher Siedlungen. Er bevorzugt feuchte, leichte, lockere mullreiche Lehmböden. 7 verschiedene Wildbienenarten, 3 Schmetterlingsarten und eine Schwebfliegenart brauchen ihn als Nahrungspflanze. Er ist einheimisch, ungefährdet und nicht besonders geschützt.

Es war eine wunderschöne Aktion – den Kindern, aber auch den erwachsenen Helfer*innen hat man ihre Begeisterung angesehen. Stundenlang gemeinsam in der Erde buddeln, Bewegung an der frischen Luft – aber auch konzentriert etwas arbeiten und spielerisch etwas lernen. Wenn Schule auch öfter so wäre, wäre sicher viel gewonnen für die nächste Generation. Und wenn im kommenden Frühjahr 1000 einheimische Frühblüher aus der Erde spitzen, ist allen geholfen – der Insektenvielfalt, den Erwachsenen mit ihrem Wunsch nach ästhetischer Natur und den Kindern, die ganz selbstverständlich lernen, Teil der Natur und Teil der Lösung zu sein.


Text: Ruth Mahla / Foto oben: © Ruth Mahla

Vortrag Flora non grata am 5.10.2024 im ÖBZ

Alle zwei Jahre bringt die Gartengruppe vom Ökologischen Bildungszentrum einen Kalender heraus, der unterschiedliche Gartenthemen behandelt. Beispielsweise geht es um essbare Wildpflanzen, Gemüseraritäten oder Heilpflanzen, ein andermal um Tiere im Garten oder speziell um die Bohne. Das vergangene Jahr über befasste sich das zehnköpfige Kalenderteam mit der „Flora non grata“, also mit Pflanzen, die die Gärtnerinnen und Gärtner aus irgendwelchen Gründen nicht wirklich schätzen. Kurz gesagt: es ist ein Kalender über „Unkraut“ geworden.
Wie immer sammeln sich bei der Recherche viele interessante Geschichten und auch Bilder an, die man im Kalender gar nicht alle zeigen kann. Überraschend, dass es von Pflanzen, die ansonsten nur auf dem Kompost landen, irgendwann ziemlich viele Bilder gibt, die man sogar schön findet. So entstand die Idee, begleitend zum Erscheinen des Kalenders einen Bilder-Abend zu veranstalten und die Pflanzenbetrachtung als Einstieg dafür zu nutzen, über das Für und Wider von „Unkraut“ im Garten zu reflektieren.

Immerhin folgten acht Personen, die selbst nicht an der Entstehung der Kalender-Texte beteiligt waren, der Einladung zum Unkrautabend. Kann man einen ganzen Abend lang über Unkraut reden? Langweilig wird das Thema schon deshalb nicht, weil man sich bereits über den Begriff „Unkraut“ streiten kann. Und jede einzelne Art lässt sich aus unterschiedlicher Perspektive betrachten. Die Zaunwinde zum Beispiel: Man kann sich ärgern über ihre unbändige Dominanz, mit der sie schonungslos alles überwuchert, man wünscht sich Ratschläge, wie man sie am besten loswird und kann schließlich doch nicht anders, als ihre Vitalität zu bewundern, mit der sie selbst die unwirtlichsten Räume begrünt – und dabei eine gute Figur abgibt, wenn man sie nur lässt. Ähnlich ist es bei dem Jakobskreuzkraut: Landwirte bezeichnen es als „gelbe Gefahr“, weil es Weidetiere vergiften und sogar töten kann. Deshalb muss das Heu von Wiesen, in denen diese Pflanze wächst, vernichtet werden. Naturschützer wehren sich dagegen, dass das Kreuzkraut radikal bekämpft wird; schließlich bietet es als heimische Wildpflanze über 72 Wildbienenarten Nahrung, außerdem 29 Schwebfliegen und über 30 Schmetterlingen! z.B. ist der Jakobskraut-Bär, ein hübscher schwarzroter Falter, bzw. dessen Raupe auf diese Pflanze spezialisiert. So geht es einem mit jeder einzelnen Art aus diesem Kalender: Beim genaueren Hinsehen zeigt sich bei allen irgendwann eine bewundernswerte, sympathische auf jeden Fall überraschend Seite. Obwohl man dachte, man würde sie kennen. Wie wenig wir diese „Allerweltsarten“ im Grunde wirklich kennen, stellte sich bei der Recherche heraus: Es war gar nicht so einfach herauszufinden, um welche Distel oder um welchen Ehrenpreis es sich denn genau handelt. Ist es nun die Rauhe Gänsedistel, die Kohl-Gänsedistel oder vielleicht die Acker-Gänsedistel?  Mit der Vielzahl der Ehrenpreis-Arten lässt sich fast das ganze Alphabet durchdeklinieren. Beim Weidenröschen waren sich die Bestimmungs-Apps leider uneinig, im Netz stolperte man öfters über falsche Angaben. Kennen wir diese Arten nicht, weil wir sie nicht mögen? Oder schätzen wir sie nicht, weil wir sie zu wenig kennen?

Bei den seltenen, geschützten Pflanzen sieht es ganz anders aus. Wir wissen viel über sie und tun einiges, um sie zu erhalten; zwar immer noch nicht genug, immerhin genießen diese Arten im Unterschied zu den „Unkräutern“ eine gewisse Lobby.
Wenn es aber um den Erhalt der biologischen Vielfalt insgesamt geht, müssen wir den Horizont des Erhaltenswerten viel weiter fassen. Auch die ungeschätzten Unkräuter haben innerhalb der Komplexität der Ökosysteme ihre Bedeutung und brauchen Akzeptanz. Vor allem auch die Lebensräume, in denen sich die Flora non grata entfaltet, die vernachlässigten, wilden Ecken, in ihrer Bedeutung für Insekten unterschätzt. Eigentlich fällt es gar nicht so schwer, sie zuzulassen oder sogar schön zu finden.

Der Kalender ist im Ökologischen Bildungszentrum München (Englschalkinger Straße 166) für 5 € erhältlich. Als kostenloses PDF kann er auch hier abgerufen werden: https://www.oebz.de/data/download/Kalender/Kalender__2025_Floranongrata_210x297_lores.pdf

Hier sind die Kalender der vorherigen Jahre: https://www.oebz.de/service/kalender


Foto: © Martin Lell

Gemeinsame Planung einer Blühfläche mit heimischen Arten

Blühflächen lassen sich auf unterschiedliche Arten anlegen. Die gängigste Methode ist die Ansaat. Es gibt vielfältigste Saatgut-Mischungen für alle möglichen Standorte, auch solche mit heimischen Arten, denen man unter dem ökologischen Aspekt den Vorrang geben sollte, weil sie wichtig sind als Nahrungsquelle für Insekten.
Mit einer Saatgutmischung stellt man eine Blühwiese her, die ca. zweimal im Jahr gemäht werden muss. Solche Wiesen benötigen eine gewisse Mindestgröße, wenn sie artenreich sein sollen. Gerade in der Stadt gibt es im öffentlichen Raum und besonders in privaten Gärten aber oft kleinteilige Flächen, für die sich die Ansaat einer Wiese nicht lohnt. Solche Flächen eignen sich besser für die Anlage eines Staudenbeets, das ebenfalls mit heimischen, insektenfreundlichen Arten gestaltet werden kann. Stauden sind mehrjährigen Blumen, d.h., sie erhalten die gewünschte Optik des Beets über einen langen Zeitraum.

Begeistern, beteiligen, bilden

Im Rahmen des BioDivHubs am Ökologischen Bildungszentrum planen wir gerade ein Schaubeet aus heimischen Staudenarten als Anregung für die Nachahmung im Privatgarten. Dazu hatten wir am 19.09. ein BioDivHubs-Treffen am ÖBZ.
Die Planung verläuft von Anfang an als gemeinsamer Prozess, das ist der besondere Ansatz der BioDivHubs. Denn bei der gemeinsamen Entwicklung des Konzepts lernen alle Beteiligten mehr als bei der Umsetzung eines bereits fertigen Plans. Austausch und Kreativität sind außerdem die beste Motivation, um ins Tun zu kommen. Schließlich erfordern die Umsetzung und anschließende Pflege einiges an Arbeit.

Mitten im Diskurs zum Thema Arterhaltung

Unser Einstieg in die Planung geschah mit dem Kennenlernen des Conservation Gardening-Konzepts. Dieser Ansatz – entwickelt von der Uni Leipzig und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung – beruht auf der Erkenntnis, dass heimische Arten, die an ihren natürlichen Standorten gefährdet sind, auch im Siedlungsraum, auf öffentlichen und privaten Flächen gepflanzt werden können. Ist es also möglich, Arten aus der Roten Liste, die im Rückgang begriffen sind, durch Wiederansiedlung vor dem Aussterben zu bewahren? Für uns Natur-Begeisterte ist das eine sehr motivierende Idee.
Andere Wissenschaftler*innen sehen diesen Ansatz allerdings kritisch, weil er nicht berücksichtigt, dass besonders geschützte Arten gar nicht erhältlich sind und die Ausbringung dieser Arten an neuen Standorten Florenverfälschung verursachen kann.
Man muss nämlich wissen: Die genetische Ausstattung ein und derselben Art ist je nach Ursprungsgebiet unterschiedlich. Kaufe ich z. B. eine Glockenblume aus norddeutscher Produktion, hat sie eine andere Genetik als die Glockenblume, die in Oberbayern wächst. Wird die norddeutsche Blume in Bayern angepflanzt, vermischen sich die beiden, d.h., die hier heimische Glockenblume wird durch ihre Verwandte aus entfernten Gebieten genetisch verändert, „verfälscht“. Aus Laienperspektive ist das ein völlig ungewohnter Gedankengang, aus Sicht des Artenschutzes aber eine sehr bedeutsame Tatsache. Denn es geht darum, den einmaligen Genpool einer seltenen Art so zu erhalten, wie er sich über lange Zeit an spezielle Bedingungen angepasst hat. Die südliche Glockenblume ist womöglich besser an Trockenheit angepasst als die nordische Variante; für ihren langfristigen Fortbestand ist diese Eigenschaft überlebenswichtig. Im Rahmen von Artenhilfsprogrammen werden seltene Arten nur in direkter Nähe zum Herkunftsort wieder angesiedelt. So kann man dazu beitragen, eine kleine Restpopulation einer Art in der für sie passenden Umgebung zu vergrößern. Und man verhindert eine Vermischung und Nivellierung genetischer Besonderheiten. Verwendet man für die Wiederansiedelung Pflanzen, die aus derselben Gegend stammen, nennt man diese Pflanzen autochthone Arten.

Gemeinsamer Lernprozess

So lernen wir in unserem Planungsprozess durch Einbeziehung vieler Experti:nnen Begrifflichkeiten und Aspekte kennen, die für den Erhalt der Biodiversität wichtig sind. Wissenschaftler:innen der TUM, vom Botanischen Garten, Fachleute aus Naturschutzverbänden wie BN oder Heideflächenverein und das RKU der LH München geben Impulse und beraten uns bei der Pflanzenauswahl.
Am Ende setzen wir kein Schaubeet für Conservation Gardening um, haben durch unseren begeisterten Einstieg über das Conservation Gardening-Konzept und das Begreifen der problematischen Aspekte darin aber den komplexen Artenschutz-Diskurs kennengelernt und viel Neues verstanden.
z. B. werden wir anstelle der sehr seltenen Finger-Kuhschelle die gewöhnliche Kuhschelle verwenden. Anstelle der traubigen Graslilie macht für uns die im Münchner Umland noch vorkommende Ästige Graslilie mehr Sinn. Die kleine Bibernelle ersetzt den Bergkümmel, das echte Labkraut das blaugrüne Labkraut. Usw. Einzelne Arten aus dem Conservation Gardening -Liste, die nicht streng geschützt sind und im Münchner Umland vorkommen, finden wie z.B. das Kleine Mädesüß aber auch Platz auf unserem Beet.

Das A und O für eine gelingende Planung ist die Berücksichtigung des jeweiligen Standorts. Wenn die Arten nicht an gegebene Licht- und Bodenverhältnisse angepasst sind, funktioniert die Pflanzung nicht dauerhaft. Deshalb werden alle Arten abgesehen von ihrer Eignung aus Artenschutz-Perspektive auf ihre Standortansprüche hin geprüft und kategorisiert. Nach und nach klärt sich die Pflanzenauswahl. Mit ca. 30 Arten erstellten wir in Kleingruppen unterschiedliche Entwürfe für das knapp 30 qm große Beet. Wobei die Stauden je nach ihren gestalterischen Funktionen in 4 Gruppen aufgeteilt werden: in Leitstauden, Begleit- und Füllstauden und Streupflanzen. Gefühl für Farbe und Struktur sind die kreativen Zutaten bei der Planung, über die es sich zu einigen gilt.
Die fertigen Entwürfe werden von unseren Expert:innen abschließend geprüft, bevor es im Frühjahr an die Umsetzung geht.

Wer mehr darüber erfahren will melde sich unter: muz@oebz.de


Foto: © Marc Haug

Gefördert durch:

Mit Unterstützung von:

Deutsche Postcode Lotterie
Patagonia